Marie ist 25 Jahre alt. Sie arbeitet bei der Behindertenhilfe Wetteraukreis gGmbH (bhw) in den Wetterauer Werkstätten. Zusammen mit ihren Kolleginnen und Kollegen – allesamt Menschen mit einer geistigen Behinderung – konfektioniert sie verschiedene Kartons für die Kunden der bhw. Nach der Arbeit kehrt sie ins Wohnheim der Lebenshilfe in Friedberg-Fauerbach zurück, dort lebt sie.

Ute ist 45 Jahre alt. Sie lebt in der Wohnanlage der bhw in Butzbach. Dort wurde sie auch in den Heimbeirat gewählt, denn ihre Mitbewohner vertrauen ihr und sie kann sich gut ausdrücken. Sie setzt sich gern für andere ein – auch an der Arbeit in den Wetterauer Werkstätten, bei Logofix. Hier werden Textilen bestickt und bedruckt. Ute entgittert dafür am liebsten die Folien. Das nötige Feingefühl für diese Arbeit hat sie.

Jede 3. Frau

Ute und Marie sind zwei sehr unterschiedliche Frauen, haben aber vor allem eine Sache gemeinsam: Sie engagieren sich zum Thema Gewaltschutz. Laut einer Statistik des Bundeskriminalamtes aus dem Jahr 2018 ist jede dritte Frau in Deutschland mindestens einmal in ihrem Leben von Gewalt betroffen. Dazu zählen verschiedene Arten: körperliche Gewalt, sexualisierte Gewalt und sexuelle Belästigung, psychische Gewalt und strukturelle Gewalt, die persönliche Freiheiten und Lebenschancen einschränkt. Frauen mit Behinderung sind laut der durch das Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend in Auftrag gegebenen Studie zur „Lebenssituation und Belastungen von Frauen mit Beeinträchtigungen und Behinderungen in Deutschland“ noch häufiger von Gewalt betroffen. Deshalb ist es wichtig, gegen Gewalt jeder Art vehement vorzugehen und Maßnahmen zum Gewaltschutz zu ergreifen.

„Gemeinsam gegen Gewalt“

Die Behindertenhilfe Wetteraukreis gGmbH setzt dazu ein umfangreiches Gewaltschutzkonzept und Deeskalationsmanagement (ProDeMa) um. Aber nicht nur die Angestellten engagieren sich für den Gewaltschutz. Auch die Mitarbeitenden, die Menschen mit Einschränkung wie Ute und Marie, sind dabei. Sie sind Teil des inklusiven Projektes „Gemeinsam gegen Gewalt“ des Suse Netzwerks Wetterau. Zusammen mit anderen Mitarbeitenden der Wetterauer Werkstätten und Fachleuten von der bhw, dem Wildwasser Wetterau e. V. und dem Frauennotruf Wetterau e. V. planen Ute und Marie zum Beispiel einen Fachtag zum Thema Gewaltschutz für Menschen mit Einschränkungen. Alle sitzen an einem Tisch und diskutieren Ideen, Wünsche und Herausforderungen für die Veranstaltung. „Die Zusammenarbeit ist gut und macht mir Spaß. Gemeinsam finden wir das beste Ergebnis“, bestätigt Ute.

Respektvoll miteinander umgehen

„Wie hoch das Gewaltpotenzial bei manchen Menschen ist, erstaunt mich immer wieder“, sagt Marie. Deshalb hofft sie, dass durch den Fachtag viele Menschen lernen, sich vor Gewalt zu schützen, respektvoll miteinander umzugehen und Probleme besser zu lösen.
Ute möchte mit dem Projekt „Gemeinsam gegen Gewalt“ erreichen, dass die Öffentlichkeit auf das Thema aufmerksam wird. Außerdem sollen die Menschen erfahren, wo sie Hilfe bekommen, wenn sie welche brauchen.

Die beiden werden selbst am Fachtag teilnehmen. Sie haben sich zur Arbeitsgruppe „Selbstbehauptung für Frauen“ angemeldet. „Ich will vor allem lernen, „nein“ zu sagen. Ich will meine Grenzen besser kennenlernen“, erklärt Marie. Sie hat oft Angst, ausgenutzt zu werden. Ute ist es wichtig zu lernen, wie sie sich verhalten soll, wenn sie oder andere Gewalt erleben. Und beide wollen ihr Wissen aus dem Projekt und vom Fachtag anschließend in ihrem Umfeld weitergeben. Ute sagt: „Dann kann ich besser helfen!“

 

Info zum Projekt „Gemeinsam gegen Gewalt“

Das Suse Netzwerk Wetterau veranstaltet am 5. Mai einen inklusiven Fachtag zum Thema Gewaltschutz. Fachleute und Menschen mit und ohne Einschränkungen sind eingeladen, die ausgewählten Fachvorträge zu besuchen oder an Arbeitsgruppen teilzunehmen. Der Fachtag wird von einer inklusiven Arbeitsgruppe organisiert, begleitet und nachbereitet. Alle Infos zur Zusammenarbeit und zum Fachtag gibt es unter www.frauennotruf-wetterau.de/de/gemeinsam-gegen-gewalt.